Satzungszweck, Gemeinnützigkeit und die Pandemie

Oder: Ausnahmen von der "Ausschließlichkeit"!

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Der Verein ist der Ort des gemeinschaftlichen Austauschs und der gelebten Solidarität. Überlegen Sie, wie Sie insbesondere schutzbedürftige Personen unterstützen können. Achten Sie daher auf die Versorgung älterer oder hilfsbedürftiger Mitglieder.“ heißt es in einem Flyer des Saarländischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Dieser Aufruf ist nachvollziehbar, berechtigt und wichtig.

Doch ist es einem wegen der Förderung gemeinnütziger Zwecke steuerbegünstigten Verein oder Verband eigentlich nicht erlaubt, Mittel für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden, die er nach ihrer Satzung nicht fördert (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO: Grundsatz der Ausschließlichkeit). Demnach hat ein Sportverein ausschließlich den Sport zu fördern, der Musikverein die Musik und der Kleingartenverein die Kleingärtnerei. Die „Versorgung älterer oder hilfsbedürftiger Personen“ gehört nicht dazu, auch wenn sie dem Verein oder Verband als Mitglied angehören. Das Bundesministerium der Finanzen hat deshalb mit Schreiben vom 09.04.2020 (Az. IV C 4 -S 2223/19/10003 :003) diese strengen Regelungen gelockert.

Ruft ein Verein oder Verband, der nach seiner Satzung keine für „Versorgung älterer oder hilfsbedürftiger Personen“ in Betracht kommenden Zwecke -wie insbesondere die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, des Wohlfahrtswesens oder die Förderung mildtätiger Zwecke- verfolgt, zu Spenden zur Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene auf und kann sie die Spenden nicht zu Zwecken verwenden, die sie nach ihrer Satzung fördert, gilt Folgendes:

Danach ist es unschädlich für die Steuerbegünstigung eines Vereins oder Verbands, der nach seiner Satzung keine hier in Betracht kommenden Zwecke verfolgt (wie insbesondere die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, des Wohlfahrtswesens oder die Förderung mildtätiger Zwecke) oder regional gebunden ist, wenn er Mittel, die er im Rahmen einer Sonderaktion für die Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene erhalten hat, ohne entsprechende Änderung seiner Satzung für den angegebenen Zweck selbst verwendet.

Fördert der Verein oder Verband nach seiner Satzung mildtätige Zwecke, so hat er die Bedürftigkeit der unterstützen Person oder Einrichtung selbst zu prüfen und zu dokumentieren. Bei Maßnahmen, z. B. Einkaufshilfen, für Personen in häuslicher Quarantäne oder für Personen, die aufgrund ihres Alters, Vorerkrankungen o.ä. zum besonders gefährdeten Personenkreis gehören, ist die körperliche Hilfsbedürftigkeit zu unterstellen. Gleiches gilt hinsichtlich des Vorliegens einer wirtschaftlichen Hilfsbedürftigkeit bei der kostenlosen Zurverfügungstellung von Lebensmitteln oder Einkaufsgutscheinen, die an die Stelle des Angebots der vielfach geschlossenen Tafeln getreten sind, oder Hilfen für Obdachlose. Bei finanziellen Hilfen ist die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit der unterstützten Person glaubhaft zu machen.

Unterstützungsleistungen außerhalb der Verwirklichung gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke, z. B. an von der Corona-Krise besonders betroffene Unternehmen, Selbständige oder an entsprechende Hilfsfonds der Kommunen sind insoweit nicht begünstigt.

Es reicht aber auch aus, wenn die Spenden entweder an eine steuerbegünstigte Körperschaft, die z. B. mildtätige Zwecke verfolgt, oder an eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. eine inländische öffentliche Dienststelle zur Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene weitergeleitet werden. Die gemeinnützige Einrichtung, die die Spenden gesammelt hat, muss entsprechende Zuwendungsbestätigungen für Spenden, die sie für die Hilfe für von der Corona-Krise Betroffene erhält und verwendet, bescheinigen. Auf die Sonderaktion ist in der Zuwendungsbestätigung hinzuweisen.

Neben der Verwendung der eingeforderten Spendenmittel ist es ausnahmsweise auch unschädlich für die Steuerbegünstigung des Vereins oder Verbands, wenn er sonstige bei ihm vorhandene Mittel, die keiner anderweitigen Bindungswirkung unterliegen, ohne Änderung der Satzung zur Unterstützung für von der Corona-Krise Betroffene einsetzt. Gleiches gilt für die Überlassung von Personal und von Räumlichkeiten. Einkaufsdienste oder vergleichbare Dienste für von der Corona-Krise Betroffene sind für die Steuerbegünstigung des Vereins oder Verbands unschädlich. Die Erstattung von Kosten für die Einkaufs- oder Botendienste an die Mitglieder des Vereins oder Verbands ist ebenfalls unschädlich.

Werden vorhandene Mittel an andere steuerbegünstigte Körperschaften, die z. B. mildtätige Zwecke verfolgen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der Unterstützung für von der Corona-Krise Betroffene stehen, oder an eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. eine inländische öffentliche Dienststelle zu diesem Zweck weitergeleitet, ist dies nach § 58 Nr. 2 AO unschädlich für die Steuerbegünstigung der Körperschaft.

Die vorstehenden Regelungen gelten für die Unterstützungsmaßnahmen, die vom 01.03.2020 bis längstens zum 31.12.2020 durchgeführt werden.


Stand: 15.04.2020

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, der Führungsakademie des Deutschen Olympischen SportBundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland, der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ der Tafel Deutschland e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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