Die fehlende kleingärtnerische Nutzung

Oder: Vertragstreue gilt auch bei Krankheit etc.

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Das Amtsgericht (AG) München hat entschieden (Urt. v. 07.04.2016, Az. 432 C 2769/16), dass der Verpächter eines Kleingartens den Pachtvertrag kündigen kann, wenn der Pächter die Parzelle nicht kleingärtnerisch nutzt, das heißt nicht auf mindestens 1/3 der Parzelle Obst und Gemüse anbaut. Diese Entscheidung ist für viele Kleingärtner überraschend, aus rechtlicher Sicht ist sie es jedoch nicht.

Der Pächter pachtete mit schriftlichem Pachtvertrag vom 10.08.1995 von einem Münchner Kleingartenverein eine Parzelle in einer Kleingartenanlage in München zur kleingärtnerischen Nutzung. Der Beklagte schuldete zuletzt eine Jahrespacht von 340,00 €. Der Verpächter warf mit Schreiben vom 13.05.2014 dem Pächter vor, dass seine Parzelle verwahrlost sei und nicht der kleingärtnerischen Nutzung entspreche, zumal nicht auf mindestens 1/3 der Parzelle Obst und Gemüse angebaut sei.

Rechtlicher Hintergrund dieses Vorwurfs des Verpächters ist, dass der Pächter aufgrund des Pachtvertrages verpflichtet ist, die von ihm gepachtete Parzelle zu bewirtschaften und dies "kleingärtnerisch" (AG Düsseldorf, Urt. v. 07.05.2012, Az. 55 C 15346/11). Damit gemeint ist die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG), also die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen. Kennzeichnend für diese Nutzungsart ist auch die Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse (BGH, Urt. v. 17.06.2004, Az. III ZR 281/03; Urt. v. 16.12.1999, Az. III ZR 89/99). Daneben tritt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BKleingG zwar auch die Erholungsfunktion, diese darf aber die Verwendung des Gartens zum Anbau nicht ersetzen (BGH, Urt. v. 17.06.2004, Az. III ZR 281/03). Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 17.06.2004, Az. III ZR 281/03) ist für eine kleingärtnerische Nutzung deshalb erforderlich, dass wenigstens ein Drittel der Fläche zum Anbau von Gartenerzeugnissen für den Eigenbedarf genutzt wird.
In dem vom AG München entschiedenen Fall wurde dem Pächter vom Verpächter eine Frist gesetzt, dies zu ändern und eine Kündigung angedroht. Am 30.11.2014 erhielt der Pächter die Kündigung des Pachtvertrags mit der Begründung, dass die Pflichtverletzungen nicht abgestellt worden seien.

Die Parzelle hat eine Fläche von ca. 240 m2. Zum Zeitpunkt der Abmahnungen und der Kündigung lag der Anteil der kleingärtnerisch genutzten Fläche bei maximal etwa 25 bis 30 Quadratmetern. Der beklagte Pächter räumt zwar ein, die Parzelle im Jahr 2014 aufgrund seiner beruflichen Belastung und gesundheitlicher Schwierigkeiten nicht ausreichend gepflegt zu haben. Er bestreitet jedoch, dass die Parzelle verwahrlost gewesen sei und wie eine "Müllhalde" ausgesehen habe. 2015 seien circa 25 Quadratmeter der Parzelle für den Anbau von Tomaten, Kartoffeln und dergleichen verwendet worden. Auf circa sieben Quadratmeter habe er Blumen angepflanzt gehabt. Im Jahr 2014 habe er weniger -also nicht auf 25 Quadratmetern- Gemüse angebaut gehabt. Der Beklagte meint daher, die Kündigung sei unwirksam.

Als der Pächter die Parzelle nicht räumte, erhob der Kleingartenverein Klage. Der zuständige Richter gab dem Kleingartenverein Recht und verurteilte den Pächter -zu Recht- zur Räumung und Herausgabe der Parzelle. Der Beklagte verletzte vorliegend seine vertragliche Verpflichtung zur kleingärtnerischen Nutzung der Parzelle erheblich. Denn unstreitig wurden weit weniger als 1/3 der Parzellenfläche nicht kleingärtnerisch i.S.v. § 1 Abs. 1 BKleingG genutzt.

Von besonderer Bedeutung sind die Ausführungen des Gerichts zu den vom Pächter für die mangelhafte Bewirtschaftung angeführten Gründen: Es sei nicht erheblich, aus welchen Gründen der Beklagte nicht dazu in der Lage gewesen sei, auch nur annähernd 1/3 der gepachteten Parzelle kleingärtnerisch zu nutzen. Denn sofern ein Pächter aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen daran gehindert ist, die Bewirtschaftung der Parzelle selbst durchzuführen, ist es ihm grundsätzlich zumutbar, sich hierbei - ggf. entgeltlich - unterstützen zu lassen, also der Hilfe Dritter zu bedienen, so der Richter weiter.


Stand: 02.02.2017

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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