Das Auskunftsrecht der Vereinsmitglieder

Oder: Welche Auskünfte muss der Vorstand geben?

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Immer wieder gibt es in Vereinen und Verbänden Streit, welche Auskünfte ein Mitglied vom Vorstand verlangen kann und ob es auf die Auskunft auch außerhalb der Mitgliederversammlung einen Anspruch hat. Nach § 27 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) findet auf die Geschäftsführung des Vorstands unter anderem auch § 666 BGB Anwendung. Bereits vor einiger Zeit hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urt. v. 11.11.2002, Az. II ZR 125/02) aufgrund dieser Gesetzeslage entschieden, dass den Vereinsmitgliedern gegen den Vorstand in der Mitgliederversammlung daraus ein Auskunftsrecht über alle wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse des Vereins zusteht.

Darüber hinaus hat er klargestellt, dass dieses Informationsrecht seine Grenze nur in einem (vorrangigen) berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Vereins zur Abwehr einer zu besorgenden Gefahr findet. Im konkreten Fall hat er dem Vereinsmitglied sogar das vereinsrechtliche Informationsrecht für die Angelegenheiten einer vom Verein zur Auslagerung seines wirtschaftlichen Betriebes als GmbH gegründeten und betriebenen Tochtergesellschaft, soweit sie auch für den Verein objektiv von erheblicher wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung sind, zugesprochen. Dafür war dem Vereinsmitglied unter anderem die Einsicht in die Bilanzen und den mit dem Geschäftsführer geschlossenen Beschäftigungsvertrag zu gewähren.

Verlangt ein Mitglied die Herausgabe der aktuellen Mitgliederliste, so stehen der Herausgabe datenschutzrechtliche Gesichtspunkte grundsätzlich nicht entgegenstehen, wenn damit vereinspoltische Interessen verfolgt werden sollen (vgl. Beschl. v. 21.06.2010, Az. II ZR 219/09, Beschl. v. 25.10.2010, Az. II ZR 219/09, Urt. v. 11.01.2011, Az. II ZR 187/09, Urt. v. 05.02.2013, Az. II ZR 134/11). Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist gleichfalls nicht verletzt (Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 18.02.1991, Az. 1 BvR 185/91). Denn die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Verein, der nach seiner Satzung einen bestimmten Zweck verfolgt in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Vereins getreten. Sie haben es deshalb hinzunehmen, dass andere Vereinsmitglieder in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele an sie herantreten und dafür vom Vorstand die Kontaktdaten erhalten.

Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen (OLG Hamm, Urt. v. 30.07.2014, Az. 8 U 10/14).

In dem Beschluss vom 21.06.2010 (Az. II ZR 210/09) hat der BGH festgestellt, dass einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts auch außerhalb der Mitgliederversammlung das oben dargestellte Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zusteht, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann.

Dementsprechend hat das OLG Hamm (Urt. v. 30.07.2014, Az. 8 U 10/14) einem Vereinsmitglied das Recht zugesprochen, Einsicht in die Urkunden und Bücher des Vereins, insbesondere Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher sowie die Jahresabschlüsse und die Kassenprüfungsberichte einzusehen und (auf seine Kosten) von den entsprechenden Büchern und Urkunden des Vereins Ablichtungen zu fertigen. Allerdings war hier bereits ein entsprechender Antrag des Mitglieds zur entsprechenden Auskunft des Vorstands in der Mitgliederversammlung des Vereins vorausgegangen, dem der Vorstand nicht entsprochen hat.

Klargestellt hat das OLG Hamm aber auch, dass ein bloßer Argwohn gegenüber dem Vorstand für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht ausreicht (OLG Hamm, Urt. v. 30.07.2014, Az. 8 U 10/14).

Es ist also jedem Vorstand eines Vereins oder Verbands dringend zu empfehlen mit entsprechenden Auskunftsbegehren von Mitgliedern sensibel umzugehen. Wenn ein Mitglied ein berechtigtes Interesse darlegt, sollte die von dem berechtigten Interesse gedeckte Auskunft nicht weiter vehement verweigert werden. Eine Niederlage vor Gericht wäre sicherlich die schlechtere Alternative.


Veröffentlicht in:

Der Fachberater, Verbandszeitschrift des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde, Ausgabe Mai 2015, S. 26


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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