Das grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsrecht

Oder: Einschränkung muss eindeutig sein

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Immer wieder fragen sich Vereinsvorstände, ob sie zum Beispiel einen Kaufvertrag für den Verein abschließen oder einen Mitarbeiter einstellen dürfen, inbesondere wer dazu was beschließen muss. Die Rechtslage dazu ist für viele Vorstände überraschend. Sie dürfen rechtlich mehr, als sie meist wissen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg (Beschl. v. 20.05.2015, Az. 12 W 882/15) hatte sich mit dieser Frage zu beschäftigen und dabei die bereits lange bestehende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dieser Frage noch einmal zusammengefasst.

Die Vertretungsmacht des Vorstandes im Sinne des § 26 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist grundsätzlich unbeschränkt (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Umfang der Vertretungsmacht kann indes durch die Satzung auch mit Wirkung gegen Dritte beschränkt werden (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BGB). Derartige Vertretungsbeschränkungen wirken Dritten gegenüber allerdings nur, wenn sie diesen bekannt sind oder wenn die Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes im Vereinsregister eingetragen ist (§§ 70, 68 BGB).

Eine Beschränkung der Vertretungsmacht des Vorstandes kann etwa in der Untersagung bestimmter Geschäfte (z. B. Grundstücksverkauf, Einstellung eines Geschäftsführers), in der Begründung von Zustimmungserfordernissen (z. B. Grundstücksverkauf nur mit zustimmendem Beschluss der Mitgliederversammlung) oder in der Zuweisung von bestimmten Aufgaben an andere Organe liegen.

Ob dies der Fall ist, ist der Satzung zu entnehmen. Eine die Vertretungsmacht des Vorstands einschränkende Satzungsbestimmung muss das Ausmaß der Einschränkung der Vertretungsmacht in der für den Rechtsverkehr notwendigen eindeutigen Weise bestimmen. Es genügt für die Beschränkung der Vertretungsmacht mit Wirkung gegen Dritte nicht schon, dass in der Satzung eine den Handlungsspielraum des Vorstands einschränkende Regelung getroffen wird, wenn nicht zum Ausdruck gebracht wird, dass damit auch die Vertretungsmacht beschränkt werden soll. Dies ist deswegen notwendig, weil das vereinsrechtliche Innenverhältnis und die Vertretungsmacht nicht nur in persönlicher, sondern auch in sachlicher Hinsicht auseinanderfallen können.

Im Interesse des Rechtsverkehrs hat eine den Handlungsspielraum des Vorstands einschränkende Satzungsbestimmung, aus der sich nicht klar auch die Beschränkung der Vertretungsmacht ergibt, nur vereinsinterne Bedeutung, nicht auch Wirkung gegen Dritte (BGH, Urt. v. 28.04.1980, Az. II ZR 193/79; Urt. v. 22.04.1996, Az. II ZR 65/95). Fehlt es an einer entsprechenden eindeutigen Satzungsregelung, so ist die Vertretungsmacht des Vorstandes im Außenverhältnis nicht beschränkt. In diesem Falle ist auch keine Beschränkung im Vereinsregister einzutragen. Allenfalls kann eine Bindung des Vorstandes im Innenverhältnis (gemäß §§ 27 Abs. 3, 665 BGB) eintreten.

Fazit:

Der nach der Satzung eines Vereins oder Verbands im Sinne des § 26 BGB vertretungsberechtigte Vorstand ist in seiner Vertretungsmacht nur eingeschränkt, wenn die Satzung entsprechend eindeutige Beschränkungen enthält. Demnach sind auch Beschlüsse zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts (z. B. Beschluss des Vorstands zum Kauf eines Computers, Beschluss der Mitgliederversammlung zum Verkauf eines vereinseigenen Grundstücks) rechtlich nur notwendig, wenn die Satzung dies ausdrücklich verlangt.

Soll diese Beschränkung über den Verein hinaus gegenüber Dritten Rechtswirkung entfalten können, muss sich aus der Satzung eindeutig ergeben, dass das Vertretungsrecht des Vorstands insoweit auch nach außen beschränkt sein soll.


Veröffentlicht in:

Verbandszeitschrift des Betriebssportverband Hamburg e.V., Ausgabe 3/2015, S. 34
Gartenfreund, Verbandszeitschrift für das Kleingartenwesen, Ausgabe November 2015, S. 22
saarsport, Zeitschrift des Landessportverbandes für das Saarland, Ausgabe Oktober 2015, S. 70


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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