Der Mitgliedsbeitrag und das Coronavirus

Oder: Zahlen ohne Leistung?

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


„Mitglieder von Sportvereinen fordern Beiträge zurück“ lautet die Überschrift eines Artikels der Stuttgarter Nachrichten vom 16.03.2020. Hintergrund ist das allgemeine Verbot sportlicher und sonstiger Veranstaltungen wegen des Coronavirus. Immer öfter werden Vereins- und Verbandsvorstände mit der Rechtsfrage konfrontiert, ob Mitglieder tatsächlich ihren Mitgliedsbeitrag nun nicht mehr zahlen müssen, solange das Vereinsangebot zum Erliegen kommt.

Ob der Verein überhaupt Mitgliedsbeiträge erheben kann, muss in der Satzung geregelt sein (§ 58 Nr. 2 BGB). Das Gesetz verlangt eine klare Aussage im positiven oder negativen Sinne. Unter „Beiträgen“ sind alle mitgliedschaftlichen Pflichten zur Förderung des Vereinszwecks zu verstehen, die ein Mitglied zu erfüllen hat. Sie bestehen meist in Geldzahlungen, können aber auch in Sachleistungen oder in der Leistung von Diensten bestehen, wenn die Satzung dies ausdrücklich bestimmt. Spricht die Satzung nur allgemein davon, dass die Mitglieder „Beiträge“ leisten müssen, so sind darunter in der Regel Geldbeiträge zu verstehen (Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 20. Aufl. 2016, Rn. 117).

Richtig ist, dass nach allgemeinen rechtlichen Regelungen eine Leistung nicht erbracht werden muss, wenn die Gegenseite die von ihr geschuldete Leistung ebenfalls nicht erbringt. Damit kommt es bei dem Mitgliedsbeitrag entscheidend auf die Frage an, was der Verein als Gegenleistung für den Mitgliedsbeitrag dem Mitglied schuldet.

Durch die Beiträge sollen dem Verein finanzielle Mittel zur Verwirklichung des Vereinszwecks verschafft werden (BGH, Urt. v. 11.11.1985, Az. II ZR 37/85). Die durch die Mitgliedschaft erlangten Rechte des Mitglieds werden üblicherweise in Mitverwaltungs- oder Teilhaberechte, Vorteils- oder Benutzungsrechte und Schutzrechte eingeteilt. Hinzu kommt das Informationsrecht, das als notwendiges Hilfsrecht die übrigen Rechte sichert und ergänzt (MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2018, BGB § 38 Rn. 11).

Demnach ist der Mitgliedsbeitrag nicht, zumindest nicht vollständig, die von einem Mitglied geschuldete Gegenleistung für die Möglichkeit zur Teilnahme an den zur Verwirklichung des Vereinszwecks durchgeführten Veranstaltungen des Vereins. Vielmehr ist in dem Mitglieds-beitrag ein wohl weit überwiegender Teil enthalten, der den allgemeinen Aufwand des Vereins und damit gerade nicht eine Gegenleistung für das Mitglied abgelten soll.

Dementsprechend muss im Einzelfall geprüft werden, ob bei einem Verein in dem Mitglieds-beitrag Teilbeträge enthalten sind, die als Gegenleistung für die Inanspruchnahme von Leis-tungen des Vereins an das Mitglied gewertet werden können. Das ist z.B. denkbar, wenn sich bereits aus der Beitragsstruktur Anhaltspunkte dafür ergeben (am Sportbetrieb teilnehmende Mitglieder zahlen z. B. einen höheren Mitgliedsbeitrag als die nicht am Sportbetrieb teilnehmende Mitglieder).

In der Regel wird also ein Mitglied (zumindest) nicht vollständig von seiner Pflicht zur Zahlung des Mitgliedsbeitrages frei, nur weil der Verein aufgrund der derzeitigen Rechtslage seine den Vereinszweck verwirklichenden Veranstaltungen nicht durchführen kann.

Davon zu unterscheiden sind jedoch über den Mitgliedsbeitrag hinausgehende Entgelte, die ein Mitglied gerade wegen der individuellen Inanspruchnahme besonderer Leistungen des Vereins zu leisten hat. Bietet ein Verein z.B. im Kurssystem Sportveranstaltungen oder Mu-sikunterricht für seine Mitglieder gegen gesondertes Kursentgelt oder die Teilnahme einer sportlichen Veranstaltung für eine Startgebühr an, so muss der Teilnehmer dieses Entgelt in der Regel nicht zahlen, wenn der Verein nicht auch die entsprechenden Veranstaltungen durchführt.



Fazit:

Die Mitglieder haben auch bei Ausfall der den Satzungszweck verwirklichenden Veranstaltungen des Vereins grundsätzlich kein Recht, die Zahlung des Mitgliedsbeitrages in voller Höhe zu verweigern. Mit dem Mitgliedsbeitrag sind nicht nur die Teilnahme an den jeweiligen den Vereinszweck erfüllenden Veranstaltungen des Vereins abgegolten, sondern auch die allge-meinen Aufwendungen des Vereins dafür, dass er überhaupt existieren kann. Inwieweit im Mitgliedsbeitrag womöglich Entgeltbestandteile enthalten sind, kann nur im Einzelfall geprüft werden.



Stand: 18.03.2020

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei
Patrick R. Nessler
Kastanienweg 15
66386 St. Ingbert

Tel.: 06894 / 9969237
Fax: 06894 / 9969238
Mail: Post@RKPN.de
Internet: www.RKPN.de