Die "einfache Mehrheit" der Mitgliederversammlung

Oder: Wann stimmen genügend Mitglieder zu?

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


In einem Verein oder Verband sind viele Beschlüsse von der Mitgliederversammlung zu fassen. Nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB entscheidet bei der Beschlussfassung grundsätzlich die Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Zu diesen Beschlüssen gehören z. B. auch Wahlentscheidungen (BGH, Urt. V. 28.11.1988, Az. II ZR 96/88). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Satzung (§ 40 BGB) oder das Gesetz (z.B. für Satzungsänderungen und Vereinsauflösung) ein anderes Mehrheitserfordernis aufstellt.

Das Kammergericht (KG) Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung (Beschl. v. 23.05.2020, Az. 22 W 61/19) noch einmal klargestellt, dass die “einfache Mehrheit” für einen Beschluss erreicht ist, wenn für den Beschlussgegenstand mehr Stimmen abgegeben werden als gegen ihn. Dabei kommt es nach der gesetzlichen Regelung nur auf die bei der konkreten Abstimmung abgegebenen Stimmen an, nicht auf die Zahl der anwesenden (stimmberechtigten) Mitglieder an. Enthaltungen werden nicht mitgezählt.

Hiervon zu unterscheiden ist die „relative“ Stimmenmehrheit, bei der es genügt, dass eine Abstimmungsalternative mehr Stimmen erhält als eine der anderen. Soll die nach § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB geltende Mehrheitswahl modifiziert und anstelle der einfachen die relative Mehrheit maßgebend sein, so bedarf dies nach der zwingenden Vorschrift des § 40 BGB einer entsprechenden Bestimmung in der Satzung. Die dahingehende Regelung muss aus der Satzung klar ersichtlich sein (OLG München, Beschl. v. 29.01.2008, Az. 31 Wx 78/07, 31 Wx 81/07; BGH, Urt. v. 28.11.1988, Az. II ZR 96/88; BayObLG, in: FGPrax 1996, 74/75; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.2005, Az. 2 W 308/04).

Sofern die Beschlussfassung Gegenstände betrifft, die zur Eintragung in das Vereinsregister anzumelden sind (z.B. Wahl neuer Vorstandsmitglieder in den nach § 26 BGB vertretungsberechtigten Vorstand oder Satzungsänderungen), muss beachtet werden, dass bei der Anmeldung zum Vereinsregister auch die Abschrift der Urkunde eingereicht werden muss, aus der sich der Beschluss ergibt (z. B. bei Satzungsänderungen: § 71 Abs. 1 Satz 3 BGB).

Nach dem Beschluss des KG Berlin muss sich aus der Urkunde (meist das Protokoll der Mitgliederversammlung) auch ergeben, dass der Beschluss mit der dafür notwendigen Mehrheit gefasst worden ist. Dafür genügt es nicht, dass nur die Gesamtzahl der anwesenden stimmberechtigten Personen und die Zahl der Ja-Stimmen in dem Protokoll aufgeführt sind. Vielmehr müssen auch die Nein-Stimmen angegeben werden, so das KG Berlin.

Selbst wenn in dem Protokoll z. B. die Feststellung des Versammlungsleiters enthalten sind, dass die Kandidaten in die Vorstandsämter gewählt oder die Satzungsänderungen wirksam beschlossen seien, ändern an den Anforderungen an das Protokoll zu der Angabe der Zahlen der Ja- und der Nein-Stimmen nichts. Denn der Feststellung des Abstimmungsergebnisses kommt im Vereinsrecht keine konstitutive Wirkung zu, da es kein fristgebundenes Anfechtungsrecht wie etwa bei der Aktiengesellschaft gibt (KG Berlin unter Hinweis auf BGH, Urt. v. 12.01.1987, Az. II ZR 152/86; OLG Schleswig, Beschl. v. 12.01.2005, Az. 2 W 308/04).


Fazit:

Bei Abstimmungen im Verein oder Verband sind zwingend die Zahlen der Ja- und der Nein-Stimmen festzustellen und im Protokoll festzuhalten. Ansonsten kann das Registergericht mangels Vorlage einer den gesetzlichen Erfordernissen entsprechenden "Urkunde" die Eintragung verweigern.


Stand: 11.10.2020


Veröffentlicht in:

BZVS News, Verbandszeitschrift des Bundes für Zupf- und Volksmusik Saar e. V., Ausgabe 51 - Oktober 2020, S. 13
Nachrichtenblatt des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe Nr. 120 Dezember 2020, S. 18 ff.

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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