Die geheime Abstimmung im Verein und Verband

Oder: Wann ist die geheime Abstimmung zwingend?

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Immer öfter wird bei Abstimmungen in Vereinen und Verbänden in den entsprechenden Gremien verlangt, dass die Abstimmung geheim erfolgen soll. „Geheim“ bedeutet dabei, dass die Abstimmung schriftlich, also mit verdeckten Stimmzetteln durchgeführt wird. Dann stellt sich die Frage: Muss nun geheim abgestimmt werden?

Viele folgern ihre Meinung, dass Abstimmungen grundsätzlich geheim zu erfolgen hätten, aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der „Geheimheit“ der Wahl, den sie aus ihrem Alltag kennen (Kommunalwahl, Kreistagswahl, Landtagswahl, Bundestagswahl etc.). Jedoch beruht dort die Geheimheit auf speziellen gesetzlichen Regelungen, die die Geheimheit ausdrücklich verlangt (z. B. Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz -GG- für Länder, Kreise und Kommunen, Art. 38 Abs. 1 GG für den Bundestag).

Entgegen einer weit verbreiteten Auffassung gibt es aber keinen rechtlichen Grundsatz, dass Abstimmungen geheim durchgeführt werden müssen (vgl. nur Burhoff, Vereinsrecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 393; Otto in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 32 BGB, Rn. 59; Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene Verein, 19. Aufl. 2010, Rn. 209). Insbesondere findet sich in den gesetzlichen Regelungen zum Verein (§§ 21 ff. Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) keine solche Vorschrift.

Deshalb gilt im Vereinsrecht der Grundsatz, dass offen abgestimmt wird. Zu den Abstimmungen im Verein gehören übrigens auch die Wahlen.

Die Satzung kann -muss aber nicht- zu der Form der Abstimmungen Anordnungen treffen, da sie die „Verfassung“ des Vereins ist (§ 25 BGB). Wenn die Satzung konkrete Regelungen enthält, gelten diese natürlich abweichend von dem oben dargestellten Grundsatz der offenen Abstimmung.

Schreibt die Satzung vor, dass eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern die geheime Abstimmung beantragen kann, dann muss diese Zahl bei der Antragstellung auch erreicht sein, damit eine Pflicht zur geheimen Abstimmung besteht.

Wenn die Satzung keine Bestimmung zur Form der Abstimmung enthält, entscheidet bei einem Antrag eines Mitglieds auf geheime Abstimmung nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB darüber die Mitgliederversammlung durch einfachen Beschluss (Burhoff, Vereinsrecht, 9. Aufl. 2014, Rn. 393). Es wird in der rechtswissenschaftlichen Literatur sogar teilweise die Auffassung vertreten, dass ohne eine ausdrückliche Satzungsregelung der Versammlungsleiter die Abstimmungsart bestimmen dürfe. Das gelte aber dann nicht mehr, sobald aus der Mitte der Mitgliederversammlung der Abstimmungsart widersprochen würde (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 32, Rn. 7).

Manche Satzungen enthalten auch die Regelung, dass unter bestimmten Umständen geheim bzw. offen abgestimmt werden „kann“. Fehlt hier die Regelung, wer in einem solchen Fall entscheidet, ob von der möglichen Abstimmungsform („kann“, nicht „muss“) Gebrauch gemacht wird, so entscheidet auch hier die Mitgliederversammlung (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Diese Grundsätze sind streng zu beachten, da die falsche Abstimmungsform zur Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse führen kann. Es empfiehlt sich deshalb zu überlegen -sofern nicht bereits vorhanden- die Form der Abstimmung in der Satzung konkret und eindeutig zu regeln.


Veröffentlicht in:

Auftakt!, Magazin des Bund Deutscher Zupfmusiker, Ausgabe 1-2015, S. 37
Nachrichtenblatt des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe März 2015, S. 22
Ehrenamt-News der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Ausgabe 1.2015
BZVS News, Verbandszeitschrift des Bundes für Zupf- und Volksmusik Saar e. V., Ausgabe 40 - Juni 2015, S. 23


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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