Die Vorstandsarbeit und das Coronavirus

Oder: Wie ist das mit Vorstandsbeschlüssen?

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Mit dem Wirksamwerden seiner Bestellung entsteht für den Vereinsvorstand als gesetzlichem Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht zur eigenverantwortlichen Führung der Vereinsgeschäfte (BGH, Urt. v. 12.10.1992, Az. II ZR 208/91). Soweit für die Geschäftsführung Beschlüsse des Vorstands erforderlich sind, erfolgt bei einem Vorstand, der aus mehreren Personen besteht, die Beschlussfassung nach den für die Beschlüsse der Mitglieder des Vereins geltenden Vorschriften der §§ 32, 34 BGB (§ 28 BGB).

Damit kann der Vorstand eines Vereins oder Verbands wirksame Beschlüsse grundsätzlich nur in ordnungsgemäß einberufenen Versammlungen der Vorstandsmitglieder fassen (§ 32 Abs. 1 BGB). Diese Versammlungen werden in der Regel als Vorstandssitzungen bezeichnet. Der Begriff der Versammlung beinhaltet bereits nach seinem Wortsinn die Anwesenheit der Mitglieder am Ort der Versammlung (OLG Hamm, Urt. v. 20.06.2001, Az. 8 U 77/01).

Inzwischen wurden zum Beispiel im Saarland mit Nr. 1 der Allgemeinverfügung zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes vom 16.03.2020 Veranstaltungen, Versammlungen oder sonstige Ansammlungen mit mehr als fünf Personen landesweit untersagt. Damit sind Vorstandssitzungen eigentlich nicht mehr möglich, weil nicht alle Vorstandsmitglieder teilnehmen können.

Zulässig ist nach §§ 28, 32 Abs. 2 BGB in diesen Fällen auch ohne ausdrückliche Satzungsregelung eine schriftliche Beschlussfassung. Diese führt aber nur dann zu einem wirksamen Beschluss, wenn alle (stimmberechtigten) Vorstandsmitglieder dem Beschluss (nicht dem Beschlussverfahren) schriftlich zustimmen. Schriftlich bedeutet in diesem Fall, dass die Zustimmung von dem Vorstandsmitglied eigenhändig unterschrieben sein muss. Bei einer elektronischen Zustimmung muss diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. In beiden Fällen genügt demnach ein einfaches E-Mail nicht, ein Telefonat schon überhaupt nicht.

Nach § 40 BGB ist es ausdrücklich zulässig, dass in der Satzung für den Vorstand auch andere Formen der Beschlussfassung festgelegt werden. Sofern eine Satzung z.B. ausdrücklich regelt, dass Beschlüsse auch in einer Telefon- oder Videokonferenz des Vorstands gefasst werden können, darf natürlich auch so verfahren werden. Regelungen in einer Vereinsordnung, z.B. Geschäftsordnung für den Vorstand, genügen nicht.

Aber nicht jeder Maßnahme des Vorstands bzw. von Vorstandsmitgliedern muss aus rechtlicher Sicht eine die Maßnahme erlaubende förmliche Beschlussfassung vorausgehen.

Vielmehr entspricht, soweit die Satzung die Geschäftsführung (Entscheidungsbefugnis) des Vorstands nicht abweichend von der Vertretungsregelung gestaltet hat, der Umfang der Geschäftsführungsbefugnis (Entscheidungsbefugnis) grundsätzlich dem Umfang der Vertretungsmacht und umgekehrt (OLG Schleswig-Holstein, Urt. v. 29.09.2006, Az. 1 U 68/06). Räumt die Satzung mithin einem vertretungsberechtigten Vorstandsmitglied eine bestimmte Vertretungsmacht ein, so spricht sie ihm damit regelmäßig zugleich diejenige Geschäftsführungsbefugnis (Entscheidungsbefugnis) zu, die mit dieser Vertretung untrennbar verbunden ist (BGH, Urt. v. 12.10.1992, Az. II ZR 208/91).

Ob die Geschäftsführungsbefugnis des vertretungsberechtigten Vorstands durch die Satzung gegenüber seinem Vertretungsrecht beschränkt ist, kann nur anhand der jeweiligen Satzung des Vereins oder Verbands im Einzelfall geprüft werden.


Fazit:

Grundsätzlich fasst der Vorstand seine Beschlüsse in Vorstandssitzungen, bei der jedes Vorstandsmitglied die Möglichkeit der Anwesenheit haben muss. Andere Formen der Beschlussfassung sind nur erlaubt, wenn die Satzung diese Formen ausdrücklich zulässt. Da aber Beschlüsse des Vorstands nicht bei jeder Geschäftsführungsmaßnahme erforderlich sind, muss im Einzelfall geprüft werden, ob überhaupt eine Beschlussfassung des Vorstands notwendig ist.


Stand: 20.03.2020

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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