Erleichterungen nun auch für Vorstände

Oder: Virtuelle Sitzungen möglich

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Mit dem am 28.03.2020 in Kraft getretenen Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG), wurden die bisher geltenden gesetzlichen Regelungen zur Mitgliederversammlung des Vereins oder Verbandes vorübergehend geändert. Diese Regelungen gelten vorerst bis zum 31.12.2021.

Nach § 5 Abs. 2 GesRuaCOVBekG kann der Vorstand eines Vereins oder Verbandes abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB auch ohne ausdrückliche Ermächtigung durch eine entsprechende Regelung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen, an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben. Damit sind nun auch „virtuelle“ Mitgliederversammlung rechtlich zulässig. Diese können z. B. als Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, bedürfen also nicht mehr der physischen Anwesenheit der einzelnen Mitglieder an einem bestimmten Ort.

Daneben ist gemäß § 5 Abs. 3 GesRuaCOVBekG abweichend von § 32 Abs. 2 BGB ein Beschluss ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle stimmberechtigten Mitglieder und sonstige stimmberechtigten Personen an der Abstimmung beteiligt wurden, bis zu dem vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte dieser Personen ihre Stimmen in Textform abgegeben haben. Für die in § 126b BGB geregelte „Textform“ genügen auch das einfache E-Mail oder ein Telefax. Der Beschluss muss trotzdem mit der erforderlichen Mehrheit gefasst werden.

Die entsprechende Anwendbarkeit von § 5 Abs. 2 und 3 GesRuaCOVBekG auf die Arbeit der Vorstände und anderer Vereins- und Verbandsorgane wäre wünschenswert, war jedoch (und ist noch) nach dem Gesetzeswortlaut nicht begründbar. Die Regelungen des § 5 Abs. 2 und 3 GesRuaCOVBekG ändern nämlich § 32 BGB nicht, sondern stellen lediglich ein in seiner Anwendung auf die Mitgliederversammlung beschränktes Spezialgesetz hierzu dar. Die für die Vorstandsbeschlüsse maßgebliche Verweisung in § 28 BGB auf die Regelungen zur Mit-gliederversammlung bezieht sich auf den unveränderten § 32 BGB. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem beschränkten Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 und 3 GesRua-COVBekG um ein gesetzgeberisches Versehen handelt, welches der rechtsfortbildenden Korrektur bedarf, existieren nicht. Die Beschlussfassung des Vorstandes wird in der Geset-zesbegründung mit keinem Wort erwähnt (Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Ge-setzbuch/Leuschner, 1. Aufl. 2020, COVMG § 5 Rn. 16).

Nun hat der Gesetzgeber endlich reagiert und mit dem Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht in einem neuen § 5 Abs. 3a GesRuaCOVBekG angeordnet, dass § 5 Abs. 2 und 3 GesRua-COVBekG auch für den Vorstand von Vereinen und Verbänden sowie für andere Vereins- und Verbandsorgane gelten.

Allerdings tritt der neue § 5 Abs. 3a GesRuaCOVBekG nach dem Willen des Gesetzgebers -warum auch immer- erst am 28.02.2021 in Kraft (Art. 14 Abs. 3 Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Patentrecht ).



Fazit:

Ab dem 28.02.2021 können alle Vereins- und Verbandsorgane auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung bis zum 31.12.2021 ihre Beschlüsse auch in „virtuellen“ Sitzungen oder außerhalb von Sitzungen im „Umlaufverfahren“ fassen.


Stand: 04.01.2021


Veröffentlicht in:

Auftakt!, Magazin des Bund Deutscher Zupfmusiker e.V., Ausgabe 1-2021, S. 24
Gartenfreund, Verbandszeitschrift für das Kleingartenwesen, Regionalteil Mecklenburg-Vorpommern, Ausgabe Nr. 3 März 2021, S. IV

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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