Mitglied muss Satzung kennen

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Satzungen können Regelungen enthalten, die die Mitglieder zu bestimmten Handlungen verpflichten. So hat nach § 58 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Satzung eines Vereins festzulegen, ob und welche Art von Beiträgen von einem Mitglied an den Verein zu erbringen sind. Aber auch die Festlegung von weitergehenden Pflichten ist rechtlich möglich.

Solche Regelungen sind grundsätzlich als Ausfluss der in Art. 9 Abs. 1 GG verankerten Vereinsautonomie zulässig. Aus der Vereinsautonomie folgt das Recht eines jeden Vereins, sich in freier Selbstbestimmung eine eigene innere Ordnung zu geben sowie die Organisation und die Beziehungen zu den Mitgliedern eigenverantwortlich zu regeln.

Das Landgericht (LG) Frankfurt am Main hatte nun über einen Fall zu entscheiden, wonach ein Vereinsmitglied von bestimmten von ihm erzielten Einnahmen einen Teil an eine dem Verein nahestehende Stiftung zu zahlen hatte (Urt. v. 27.04.2018, Az. 2-30 O 238/17). Es hat das Mitglied zur Zahlung verurteilt.

Zwar führte das LG Frankfurt zu Recht aus, dass die vereinsrechtliche Satzungsgewalt trotz Art. 9 Abs. 1 GG nicht schrankenlos gewährleistet ist. Denn die vereinsrechtlichen Regelwerke (Satzung, Vereinsordnung usw.) unterliegen einer Prüfung auf ihre inhaltliche Angemessenheit unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§§ 242, 315 BGB). Allerdings findet nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht zusätzlich eine Kontrolle nach dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen statt (so kürzlich auch: BAG, Urt. v. 21.03.2017, Az. 3 AZR 619/15). Folge eines Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 242, 315 BGB ist grundsätzlich die Unwirksamkeit der fraglichen vereinsrechtlichen Regelung. Im hier zu entscheidenden Fall sah das LG Frankfurt die Satzungsregelung mit der Abführungspflicht als wirksam an.

Das Mitglied berief sich dann darauf, dass es die entsprechende Regelung der Satzung nicht kenne und auch zum Zeitpunkt des Vereinsbeitritts vom Verein nicht ausgehändigt bekommen habe. Das LG Frankfurt ließ dies nicht gelten.

Das LG Frankfurt stellte fest, dass es zum Allgemeinwissen gehört, dass man sich bei dem Beitritt zu einem Verein der Satzung dieses Vereins unterwirft. Schließlich wird man auch als einfaches Mitglied regelmäßig auf die Binnenstruktur und die Rechte und Pflichten der Mitglieder hingewiesen, etwa wenn die Mitgliedsbeiträge fällig sind oder wenn Einladungen zu Mitgliederversammlungen mit Wahlen und weiteren Tagesordnungspunkten zugehen. Wenn ein Mitglied sich nicht über die mit der Mitgliedschaft bei dem Verein verbundenen Folgen informiert hat, indem er es unterlassen hat, die Satzung durchzulesen oder anzufordern, ist dies sein Risiko und lässt insbesondere ihn aus dem Mitgliedsverhältnis treffenden Pflichten nicht ohne weiteres entfallen.


Fazit:

Mitglieder haben die Regelungen der Satzungen und Vereinsordnungen einzuhalten, auch wenn sie deren Inhalt nicht kennen. Es ist die Pflicht der Mitglieder selbst, sich Kenntnis von den Inhalten zu verschaffen. Dementsprechend haben sie auch gegenüber dem Verein das Recht, dass ihnen auf ihr Verlangen die Texte der Satzung und der Vereinsordnungen ausgehändigt bzw. zugänglich gemacht werden (LG Karlsruhe, Urt. v. 12.11.1986, Az. 1 S 113/86).


Veröffentlicht in:

Auftakt, Zeitschrift des Bundesverband Deutscher Zupfmusiker e.V., Ausgabe 1-2019, S. 28
Nachrichtenblatt des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe März 2019, S. 20 f.


Stand: 07.12.2018

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Gemeinnützigkeitsrechts, des Datenschutzrechts für Vereine und Verbände, sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie, der Führungsakademie des Deutschen Olympischen Sportbundes e.V., und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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