"Offener Verteiler" und Datenschutz

Oder: Es darf nicht immer jeder alles sehen!

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


In den Vereinen und Verbänden kommt es immer wieder mal vor, dass eine E-Mail an eine ganze Reihe von Empfängern verschickt werden soll (z. B. Mitgliederinfos, Einladungen zu Versammlungen etc.). Das Versenden dieser E-Mails erfolgt meist in der Art, das man alle Empfänger der E-Mail in das mit "An" gekennzeichnete Feld in dem E-Mail-Programm einträgt. Die Empfänger der E-Mail können dann aber sehen, an wen die E-Mail ebenfalls verschickt worden ist und verfügen ab dann auch über diese E-Mail-Adressen (deshalb wird dies auch als "offener Verteiler" bezeichnet). Das ist datenschutzrechtlich problematisch.

Personenbezogene Daten im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 3 Abs. 1 BDSG).

Natürliche Personen sind nur lebende Menschen. Damit scheiden die offiziellen E-Mail-Adressen von Vereinen und Verbänden als "personenbezogene Daten" aus. Denn diese sind "juristische Personen" oder "Personenvereinigungen" und keine "natürlichen Personen". Das BDSG findet auf sie keine Anwendung.

Aber auch bei E-Mails an natürliche Personen ist nicht jede E-Mail-Adresse eine Einzelangabe über persönliche Verhältnisse im Sinne des BDSG. Denn nur wenn die E-Mail-Adresse als solche so gestaltet ist, dass aus ihr auf den Adressaten gefolgert werden kann (z. B. bei der Verwendung des richtigen Namens), ist diese vom BDSG geschützt. Bei Fantasienamen als E-Mail-Adressen scheidet die Anwendung des BDSG in der Regel aus.

Bei den "identifizierbaren" E-Mail-Adressen ist das Versenden im offenen Verteiler nur erlaubt, wenn diese Form der Nutzung vom BDSG oder einer anderen Rechtsvorschrift erlaubt oder angeordnet wird oder der Betroffene eingewilligt hat (§ 4 Abs. 1 BDSG).

Als gesetzliche Grundlage für das offene Versenden an eine Vielzahl von Empfängern kommt allenfalls die Regelung des § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG in Betracht. Dies erlaubt diese Form der Nutzung von persönlichen Daten, wenn das offene Versenden als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke des Vereins oder Verbandes genutzt wird und die E-Mail-Adresse des Empfängers allgemein zugänglich ist (z. B. auf dessen eigenen Internetseite abrufbar).

Doch steht dem das überwiegende schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss des offenen Versendens gegenüber. Denn nach § 3a BDSG sind personenbezogene Daten zu anonymisieren, soweit dies nach dem Verwendungszweck möglich ist und keinen im Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Das ist bei dem offenen Versenden der Fall (dazu weiter unten zu den technsich problemlos möglichen anderen Arten des Versendens).

Die Einwilligung des Betroffenen zur Versendung der E-Mails über einen offenen Verteiler ist nur wirksam, wenn sie auf der freien Entscheidung des Betroffenen beruht. Der ist auf diese vorgesehene Nutzung sowie, soweit nach den Umständen des Einzelfalles erforderlich oder auf Verlangen, auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Die Einwilligung bedarf in der Regel der Schriftform (Schriftform im Sinne des § 126 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB: Unterschrift des Betroffenen erforderlich, E-Mail genügt nicht). Dabei genügt es nicht, dass die Person überhaupt ihre E-Mail-Adresse mitgeteilt hat. Denn darin kann allenfalls die Einwilligung gesehen werden, vom Verein oder Verband E-Mails zu erhalten. Keinesfalls ist damit automatisch auch die Einwilligung verbunden, durch das offene Benutzen der E-Mail-Adresse diese anderen Personen zugänglich zu machen. Soll die Einwilligung zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden (z. B. gleich bei der Aufnahme im Aufnahmeantrag), ist sie besonders hervorzuheben.Diese Ausführungen sind nicht rein theoretisch. Denn gerade hat das Bayerische Landesamt für Datenschutz ein Bußgeld verhängt, weil ein E-Mail über einen offenen Verteiler verschickt worden ist, ohne dass eine Einwilligung der Betroffenen vorgelegen hat (Pressemitteilung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutzaufsicht vom 28.06.2013).

Der sicherste Weg ist deshalb für jeden Verein oder Verband, sich von den möglichen Empfängern solcher E-Mails entsprechende schriftliche Einwilligungen einzuholen. Personen, welche die Einwilligung nicht geben, erhalten entweder keine E-Mails mehr oder sie erhalten ein gesondertes E-Mail oder aber man trägt deren E-Mail-Adresse in das Feld "BCC" (englisch: Blind Carbon Copy) der E-Mail-Software ein. Denn bei Eintragung der E-Mail-Adressen in das „BCC-Feld“ wird die Übertragung der E-Mail-Adressen an die Empfänger unterdrückt, so dass keiner erkennen kann, an wen diese Mail sonst noch geschickt wurde.


Veröffentlicht in:

saarsport, Verbandszeitschrift des Landessportverbandes für das Saarland, Ausgabe Nr. 4/August 2013, S. 65
Polio-Nachrichten, Zeitschrift des Bundesverbandes Poliomyelitis e.V., Ausgabe Nr. III/2013, S. 20
Verbandsorgan des Betriebssport Verbandes Hamburg, Nr. 3/2013, S. 26
Auftakt!, Magazin des Bund Deutscher Zupfmusiker, Ausgabe 3-2013, S. 31


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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