Regelverstoß und Unwirksamkeit der Beschlüsse

Oder: Die Abkehr von der Kausalität

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Immer wieder kommt es aus den unterschiedlichsten Gründen vor, dass Beschlüsse in der Mitgliederversammlung, im Vorstand oder einem anderen Organ des Vereins, unter Verstoß gegen die Satzung und/oder das Gesetz gefasst werden. Dann stellt sich die Frage, welche Auswirkungen das auf die Wirksamkeit des Beschlusses hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) kommt im Vereinsrecht bei der Behandlung fehlerhafter Beschlüsse eine entsprechende Anwendung der §§ 241 ff. AktG wegen der Vielgestaltigkeit vereinsrechtlicher Zusammenschlüsse und der darum anders gelagerten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 02.07.2007, Az. II ZR 111/05). Er begründet dies insbesondere mit den geringeren Förmlichkeiten des Vereinsrechts im Verhältnis zum Aktienrecht. Das hat zur Folge, dass es im Verein nur gültige oder ungültige Beschlüsse gibt.

Ein Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen oder zwingende Satzungsvorschriften führt deshalb grundsätzlich zur Nichtigkeit des betreffenden Vereinsbeschlusses (OLG Hamm, Urt. v. 24.06.2013, Az. 8 U 125/12; OLG Köln, Beschl. v. 04.02.2009, Az. 2 Wx 56/08). Nach früherer Rechtsprechung des BGH sollte die Nichtigkeitsfolge allerdings nicht eintreten, wenn das Abstimmungsergebnis nicht auf dem Verfahrensfehler beruhte.

Mittlerweile ist der BGH von einer reinen Kausalitätsbetrachtung abgerückt und hält die Relevanz des Verfahrensfehlers für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch ein objektiv urteilendes Vereinsmitglied für maßgeblich (BGH, Urt. v. 02.07.2007, Az. II ZR 111/05; sich anschließend: OLG Brandenburg, Urt. v. 03.07.2012, Az. 11 U 174/07; OLG Hamm, Urt. v. 24.06.2013, Az. 8 U 125/12).

Ist die vom BGH geforderte Relevanz des Mangels gegeben, ist es unbeachtlich, ob der Fehler tatsächliche Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis hatte (OLG Thüringen, Beschl. v. 17.12.2014, Az. 3 W 198/14; OLG Stuttgart, in: OLGZ, 74, 404). Die erforderliche Relevanz liegt vor, wenn der Fehler das Mitgliedschaftsrecht eines Mitglieds berührt und dem Beschluss damit ein Legitimationsdefizit anhaftet (BGH, Urt. v. 25.11.2002, Az. II ZR 49/01).

Bei einem Einladungsmangel ist ein solcher relevanter Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht gegeben, weil die Entschließung eines Mitglieds, an einer Versammlung teilzunehmen oder nicht, maßgeblich vom Inhalt der Tagesordnung abhängt (BGH, in: BGHZ 160, 385, 391 f.; 153, 32, 37). Der Schutzzweck des § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB betrifft nämlich nicht nur die Beschlussfassung selbst, sondern bereits die vorangehende Beratung. Bei dieser ist nicht auszuschließen, dass sich ferngebliebene Mitglieder möglicherweise aktiv eingebracht und die Meinungsbildung der Versammlung so beeinflusst hätten (OLG Thüringen, Beschl. v. 17.12.2014, Az. 3 W 198/14).

Ein solch relevanter Verstoß gegen die Satzung ist auch gegeben, wenn einem Mitglied die Ausübung des ihm zustehenden Stimmrechts verweigert wird. Denn bei der Relevanz des Fehlers kommt es alleine darauf an, ob die verletzte Satzungs- oder Gesetzesregelung die Teilnahme des einzelnen Mitglieds an der Willensbildung im Verein gewährleisten soll. Durch die unberechtigte Entziehung des Stimmrechts wird unmittelbar in das grundlegende Mitgliedsrecht auf Teilnahme an der Willensbildung im Verein eingegriffen, so dass den Beschlüssen der Versammlung ein Defizit anhaftet (LG Saarbrücken, Urt. v. 30.09.2015, Az. 16 O 61/15).

Fazit:

Nach neurer Rechtsprechung führen alle Verstöße gegen Satzungs- oder Gesetzesregeln zur Unwirksamkeit der Beschlüsse der Vereinsorgane, wenn diese Fehler das Mitglied in seinem Recht auf Beteiligung an der Willensbildung im Verein berühren. Ob der Beschluss auch ohne den Fehler so gefasst worden wäre, ist irrelevant. Daher sollten die Regelungen bei Beschlussfassungen genau beachtet werden.


Veröffentlicht in:

Verbandszeitschrift des Betriebssportverbandes Hamburg e.V., Ausgabe Nr. 1/ 2016, S. 29
saarsport, Zeitschrift des Landessportverbandes für das Saarland, Ausgabe August 2016, S. 54


*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, insbesondere der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportverbandes Berlin e.V. u.a.

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