Überlassung von Mitarbeitern an andere Vereine

Auch für gemeinnützige Organisationen gilt das AÜG

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


Wer kennt das nicht: ein Verein überlässt Mitarbeiter an einen anderen Verein. Das geschieht zum Beispiel im Sport, wo es vorkommt, dass ein Verband einen Trainer anstellt und diesen Trainer einem oder mehreren der Mitgliedsvereine für deren Trainingsbetrieb überlässt.

§ 58 Nr. 4 Abgabenordnung (AO) erklärt ausdrücklich, dass es für Vereine oder Verbände, welche wegen der Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke steuerbegünstig sind, für deren Steuerbegünstigung unschädlich ist, wenn der Verein oder Verband seine Arbeitskräfte anderen Personen, Unternehmen, Einrichtungen oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke zur Verfügung stellt. Das ist aber eine rein steuerrechtliche Regelung.

Nun hatte sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Bremen (Beschl. v. 12.07.2016, Az. 1 Sa 70/15) mit dem Fall zu befassen, dass ein gemeinnütziger Verein eine Mitarbeiterin an eine andere gemeinnützige Organisation überließ. Der Verein hatte keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Die Mitarbeiterin machte geltend, wegen der fehlenden Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nunmehr Arbeitnehmerin der entleihenden Organisation geworden zu sein. Das LAG Bremen gab der Mitarbeiterin Recht.

Denn das AÜG verlangt, dass Arbeitgeber, die als Verleiher Dritten (Entleihern) Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zur Arbeitsleistung überlassen wollen, dafür eine entsprechende Erlaubnis haben müssen (§ 1 AÜG). Daraus ergibt sich die Frage, wann die Überlassung von Arbeitskräften durch einen steuerbegünstigten Verein oder Verband eine (erlaubnispflichtige) Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG ist.

Eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG setzt einen Vertrag zwischen dem Verein bzw. Verband und dem Entleiher voraus, dessen wesentliches Kriterium die Verpflichtung des Verleihers ist, einen Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen und das arbeitgeberseitige Weisungsrecht auf den Entleiher zu übertragen, so dass der ausgewählte und überlassene Arbeit-nehmer seine Arbeit allein nach den Weisungen und im Interesse des Entleihers ausführt (BAG, Urt. v. 18.01.2012, Az. 7 AZR 723/10).

Die vom Verein oder Verband überlassenen Arbeitskräfte sind nach dem neuen § 611a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „Arbeitnehmer“, wenn zwischen den Arbeitskräften und dem Verein bzw. Verband ein Arbeitsvertrag besteht. Ein Arbeitsvertrag ist gegeben, wenn die Arbeitskraft vertraglich verpflichtet ist, Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit zu erbringen und dafür eine Vergütung erhält (§ 611a Abs. 2 BGB). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

Von besonderer Bedeutung ist bei der Arbeitnehmerüberlassung, dass die Eingliederung des Arbeitnehmers, also das Tätigwerden in einer fremden Betriebsorganisation, und die Ausübung des Weisungsrechts durch den Entleiher gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgt. Ist das gegeben, liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor.

Erfolgt eine solche Arbeitnehmerüberlassung ohne die entsprechende Erlaubnis, so gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer als zustande gekommen. Dementsprechend hat das LAG Bremen auch entschieden. Außerdem handelt nach § 16 Abs. 1 AÜG ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 1 AÜG einen Leiharbeitnehmer einem Dritten ohne Erlaubnis überlässt. Die Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 30.000,00 € geahndet werden.

Fazit:

Sofern ein Verein oder Verband Mitarbeiter von anderen Vereinen oder Verbänden einsetzen will, sollte er genau, ob ein Fall der Arbeitnehmerüberlassung gegeben ist. Wenn das der Fall ist, müssen sich die Verantwortlichen des entleihenden Vereins bzw. Verbands unbedingt das Vorhandensein der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nachweisen lassen, da ansonsten automatisch ein Arbeitsvertrag zwischen dem überlassenen Mitarbeiter und dem ausleihenden Verein oder Verband zustande kommt.


Veröffentlicht in:

Betriebssport Verband Hamburg, Ausgabe 2-2017, S. 29


Stand: 27.02.2017

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, und für eine ganze Rei-he von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland und ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ des Bundesverbandes Deutsche Tafel e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei
Patrick R. Nessler
Kastanienweg 15
66386 St. Ingbert

Tel.: 06894 / 9969237
Fax: 06894 / 9969238
Mail: Post@RKPN.de
Internet: www.RKPN.de