Ist der Vorstand zuständig, dann ist er zuständig!

Oder: Regelungen der Satzung sind verbindlich!

Patrick R. Nessler - Rechtsanwalt


In den Vereinen und Verbänden hört man immer wieder den Satz „Die Mitgliederversammlung ist das höchste Organ des Vereins“. Daraus wird dann meistens abgeleitet, dass die Mitgliederversammlung über alles entscheiden darf und über allen anderen Vereinsorganen steht. Das ist aber richtig und falsch zugleich.

Denn nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Mitgliederversammlung nur für die Angelegenheiten des Vereins zuständig, welche nicht aufgrund Gesetzes oder einer Regelung in der Satzung von dem Vorstand oder einem anderen Vereinsorgan zu besorgen sind. Eine Zuständigkeit der Mitgliederversammlung besteht also nur vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in der Satzung, die dadurch Rechte der Mitgliederversammlung einschränken und ihr gesetzlich obliegende Aufgaben einem anderen Vereinsorgan zuweisen kann (Stöber/ Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 11. Aufl., 2016, Rn. 633). Wenn also die Satzung dem Vorstand eine bestimmte Entscheidungsbefugnis zugesteht (z. B. über die Aufnahme von Mitgliedern), dann kann die Mitgliederversammlung nicht selbst über die Aufnahme entscheiden.

Grundsätzlich darf die Mitgliederversammlung dem Vorstand Weisungen erteilen, wie er seine Vorstandsaufgaben erledigen soll (§§ 27 Abs. 3, 665 BGB). Allerdings gilt auch hier, dass die Mitgliederversammlung nur in den Bereichen dem Vorstand Weisungen erteilen darf, die nicht alleine dem Vorstand zugewiesen sind. Deshalb kann die Mitgliederversammlung z. B. nicht durch einen Beschluss den Vorstand anweisen, eine bestimmte Person als Mitglied aufzunehmen oder Aufnahme abzulehnen, wenn die Entscheidungskompetenz nach der Satzung alleine beim Vorstand liegt.

Das bestätigt auch eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle (Beschl. v. 28.08.2017, Az. 20 W 18/17). Das OLG stellt klar, dass die Mitgliederversammlung eines Vereins den Vorstand nicht durch Mehrheitsbeschluss zu einem Tun oder Unterlassen anweisen kann, wenn in der Satzung des Vereins die diesbezügliche Entscheidung ausdrücklich dem Vorstand übertragen worden ist und eine Satzungsänderung mit dem Ziel der Beschränkung der Befugnisse des Vorstands nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat.

Im vom OLG zu entscheidenden Fall legte die Satzung des Vereins fest, dass der Vorstand über „alle ideellen, sportlichen, wirtschaftlichen und strategischen Belange“ entscheidet. Das OLG erkannte an, dass mangels weiterer einschränkender Satzungsregelungen mit dieser Satzungsregelung die umfassende Entscheidungsbefugnis dem Vorstand und nicht der Mitgliederversammlung übertragen wurde.

Zu Recht weist das OLG darauf hin, dass auch bei einer solch umfassenden Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Vorstand die Mitgliederversammlung nicht ihre Funktion als „oberstes beschließendes Organ“ verliert. Denn die Mitgliederversammlung bleibt zuständig für alle ihr in der Satzung ausdrücklich zugewiesenen Bereiche und im Rahmen ihrer Auffangzuständigkeit für alle in der Satzung nicht anderen Organen zugewiesenen Aufgaben. Im Rahmen ihrer satzungsgemäßen Zuständigkeiten sind die Beschlüsse der Mitgliederversammlung auch für alle Mitglieder verbindlich.


Fazit

Ob die Mitgliederversammlung eine bestimmte Entscheidung treffen darf, hängt damit bei jedem einzelnen Verein oder Verband davon ab, ob die Entscheidungsbefugnis nicht durch Gesetz oder die Satzung einem anderen Vereinsorgan als der Mitgliederversammlung zugewiesen ist. Das kann nur und muss deshalb im Einzelfall geprüft werden.


Veröffentlicht in:

Auftakt, Zeitschrift des Bundesverband Deutscher Zupfmusiker e.V., Ausgabe 4-2017, S. 25
BZVS News, Verbandszeitschrift des Bundes für Zupf- und Volksmusik Saar e. V., Ausgabe 45 - November 2017, S. 26
Nachrichtenblatt des Landesverbandes der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Ausgabe Dezember 2017, S. 25


Stand: 19.10.2017

*) Rechtsanwalt Patrick R. Nessler ist Inhaber der RKPN.de-Rechtsanwaltskanzlei Patrick R. Nessler, St. Ingbert. Er ist tätig auf den Gebieten des Vereins-, Verbands- und Stiftungsrechts, des Gemeinnützigkeitsrechts sowie des Kleingartenrechts. Außerdem unterrichtet er als Rechtsdozent an verschiedenen Bildungseinrichtungen, u.a. an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement, der Führungsakademie des Deutschen Olympischen SportBundes e.V. und für eine ganze Reihe von Organisationen.

Rechtsanwalt Nessler ist ehrenamtlich tätig in verschiedenen Gremien des Deutschen Betriebssportverbandes. Seit 2004 ist er bereits dessen Generalsekretär. Darüber hinaus ist er Justiziar des Landessportverbandes für das Saarland, der Fach-Experte für Rechtsfragen bei der Landesarbeitsgemeinschaft Pro Ehrenamt, Mitglied der Arbeitsgruppe Recht sowie des wissenschaftlichen Beirates des Bundesverbandes Deutscher Gartenfreunde und Verbandsanwalt des Landesverbandes Saarland der Kleingärtner, Mitglied der Kommission „Finanzen“ der Tafel Deutschland e.V., Mitglied des Ausschusses „Recht und Satzung“ des Landessportbundes Berlin e.V. u.a.

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